Mieten, Märkte, Mythen

Journal/Diskussion

«Schöner Deckeln! Mythen und Fakten zum bundesweiten Mietendeckel.» – Vortrag und Diskussion mit Andrej Holm

Warum wird Wohnen anders behandelt als andere öffentliche Güter? Niemand käme auf die Idee, Bibliotheksbücher zu Marktpreisen zu verleihen – warum also Wohnungen? Mit dieser Analogie eröffnete der Stadtsoziologe Andrej Holm die Diskussion moderiert von Barbara Schönig am 14. Februar 2025.

MMM

Organisiert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen und veranstaltet in der Other Music Academy in Weimar, rückte die Debatte eine zentrale Frage in den Fokus: Wie kann eine sozial gerechte Wohnungspolitik aussehen? Grundlage der Veranstaltung war die Broschüre: «Schöner Deckeln! Mythen und Fakten zum bundesweiten Mietendeckel» von Andrej Holm, herausgegeben von der Rosa-Luxemburg Stiftung, zu der eine Reihe von Veranstaltungen in unterschiedlichen Städten gemacht wurde. 

Im Mittelpunkt des Abends stand der Mietendeckel – ein politisches Instrument, das weit über die Frage begrenzter Mietpreise hinausweist und grundlegende Konflikte über die Steuerung des Wohnungsmarktes sichtbar macht. Ein Mietendeckel wurde als wohnungspolitisches Instrument in Berlin mit dem Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin geschaffen aber nach kurzer Zeit vom Bundesverfassungsgericht gekippt, da die Zuständigkeit auf Bundesebene liegt (er galt von Februar 2020 bis April 2021). Ein Bündnis aus Mieter:innenvereinen und zivilgesellschaftlichen Gruppen fordert nun einen bundesweiten Mietendeckel. Dieser beinhaltet laut RLS-Broschüre den “sofortigen Mietenstopp, örtliche Obergrenzen für Neu- und Wiedervermietungen sowie das Absenken überhöhter Mieten.”

Holm verglich den Mietendeckel mit einem Regenschirm: Er könne vor dem unmittelbaren Unwetter schützen, aber nicht das Klima ändern. Tatsächlich sei die Mietpreisexplosion nicht das Ergebnis eines natürlichen Marktmechanismus, sondern politischer Entscheidungen – der Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände, der steuerlichen Förderung von Investoren statt gemeinwohlorientiertem Wohnungsbau und der Deregulierung zugunsten spekulativer Märkte.

Besonders zwei Einwände, die in der Diskussion um den Mietendeckel immer wieder zur Sprache kommen, standen im Fokus der Diskussion: Erstens, dass ein Mietendeckel keine neuen Wohnungen schaffe. Und zweitens, dass Mietpreisregulierungen einen (illegitimen) Eingriff ins Eigentumsrecht darstellten. Holm wies darauf hin, dass Regulierung nicht gleich Enteignung sei: In vielen Industrieländern existieren Mietpreisbremsen seit Jahrzehnten, ohne dass der Wohnungsmarkt kollabiert wäre. Entscheidender als die Frage nach staatlichen Eingriffen sei ohnehin, wem die Stadt bzw. der Boden eigentlich gehört – privaten Investoren oder den Menschen, die in ihr leben?

Deutlich wurde: Steigende Mieten sind keine Naturgewalt, sondern ein politisch gestaltbares Feld. Doch wie lässt sich ein breiter gesellschaftlicher Konsens für eine echte Wende in der Wohnungspolitik herstellen? Diese Frage wurde umso drängender angesichts des Karlsruher Urteils 2021, das den Mietendeckel in Berlin für nichtig erklärte, da die Zuständigkeit auf Bundesebene liegt. 

Dass es längst nicht nur um Mieten, sondern um grundlegende wohnungspolitische Weichenstellungen geht, zeigte die rege Beteiligung von Interessent:innen, von Vertreter:innen der Weimarer Stadtverwaltung und Mitglieder:innen der Bauhaus-Universität. Diskutiert wurden unter anderem die Übertragbarkeit auf Thüringen, die Rolle von Genossenschaften, die Herausforderungen altersgerechten Wohnens und die Verantwortung der öffentlichen Hand für eine nachhaltige Daseinsvorsorge.

Weitere Mythen und Fakten zum Mietendeckel, lassen sich in der Broschüre: «Schöner Deckeln! Mythen und Fakten zum bundesweiten Mietendeckel» nachlesen, die auf der Seite der Rosa-Luxemburg Stiftung heruntergeladen werden kann.