Forschungsidee und Fragestellung

Forschungsidee und Fragestellung

Alle müssen wohnen – schon, weil diese banale Feststellung so unbestritten ist, dass sie als Grundlage eines international festgeschriebenen sozialen Rechts dient, lässt sich vermuten, dass dem Wohnen als Praxis und den Bedingungen, die es gesellschaftlich und räumlich strukturieren, eine ebenso dauerhafte wie zwingende gesellschaftliche Bedeutung zukommt. Gerade deshalb spiegeln sich im Wohnen wie in kaum einem anderen Aspekt des menschlichen Lebens gesellschaftliche Transformationsprozesse.

Epochale Umbrüche, Wandlungsprozesse und Herausforderungen lassen sich daher nicht zuletzt wie durch eine Linse mit dem Blick auf das Wohnen erfassen. Zugleich ist das Wohnen in besonderer Weise von einem spannungsgeladenen Wechselverhältnis zwischen gesellschaftlichem Wandel einerseits und seiner räumlichen Materialisierung als gebaute Form andererseits geprägt. Die gesellschaftlich hervorgebrachte gebaute Umwelt beeinflusst Alltagspraktiken und soziale Interaktionen und schafft Pfadabhängigkeiten für zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen. Gegenwärtig zeigt sich im Angesicht von Klimawandel, Digitalisierung, Wohnungsnot und Energiekrise so deutlich wie selten zuvor die Komplexität der gesellschaftlichen Anforderungen an das Wohnen – ebenso wie die Herausforderungen seiner Transformation.

Im Zentrum des Graduiertenkollegs steht die Frage, welche Probleme, Widersprüche und Konflikte sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen gesellschaftlichem Wandel und räumlicher Materialisierung des Wohnens ergeben und wie die gebaute Wohnumwelt zukünftige gesellschaftliche Entwicklungspfade prägt bzw. prägen soll. Das langfristige Anliegen des Kollegs ist, dieses vielschichtige und mitunter gegensätzliche Zusammenspiel zu erfassen.

Wir gehen davon aus, dass die aktuellen Trends des Wandels mit Blick auf strukturschwache und wachsende Räume, Metropolregionen, Städte, suburbane oder ländliche Gebiete jeweils unterschiedliche räumliche Materialisierungen, Konflikte, Widersprüche und Herausforderungen hervorbringen. Es ist das explizite Ziel des Kollegs, die verwobenen und gleichwohl verschiedenen Wohnungsfragen in unterschiedlichen räumlichen Kontexten zu betrachten.

Geographisch fokussiert werden Wohnungsfragen zunächst im europäischen Kontext in den Blick genommen, um bei aller Diversität der Wohnungsregime die Forschungsergebnisse aus dem Kolleg zueinander in Bezug setzen zu können.