Gegenwärtig erfährt das weitgehend marktförmig organisierte und durch gesellschaftliche Individualisierung geprägte Wohnen unter den Bedingungen eines globalisierten, finanzialisierten und flexibilisierten Kapitalismus abermals einen tiefgreifenden Wandel. Dabei lassen sich derzeit aus Sicht der interdisziplinären Wohnungsforschung vier grundlegende und zum Teil in sich auch widersprüchliche Trends des Wandels erkennen: Die Diversifizierung und Digitalisierung, die Privatisierung und Finanzialisierung, die soziale und räumliche Polarisierung und Prekarisierung sowie die globale Klimakrise und Ökologisierung des Wohnens. Jeder dieser vier auf das Engste aufeinander bezogenen Trends ist geprägt von widersprüchlichen Entwicklungen und birgt in sich das Potential, die mit dem Wohnen verbundenen sozialen und ökologischen Spannungen zu vertiefen oder transformative Kräfte zu ihrer Lösung hervorzubringen. Sie wirken in räumlicher Perspektive auf Kontexte mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen, Akteursstrukturen und Pfadabhängigkeiten ein.
Das Graduiertenkolleg verfolgt die Absicht, die vier Trends des Wandels des Wohnens in ihrem Wechselverhältnis zueinander und ihrer jeweiligen räumlichen Materialisierung in den Blick zu nehmen, in der sie als Manifestation sozialer Verhältnisse konkret werden. Diese Materialisierung beeinflusst aufgrund ihrer Trägheit und Langlebigkeit alltagspraktiken, soziale Interaktionen sowie zukünftige gesellschaftliche Entwicklungspfade. Gerade das Wohnen bietet sich daher für eine relationale Analyse von gesellschaftlichen Prozessen, alltäglichen Praktiken und räumlich-gebauter Form an. Darin brechen wiederkehrend die sozialen Auseinandersetzungen und politische Zielkonflikte um begrenzt vorhandene räumliche Ressourcen auf.